Illustration by Nemoti (KK) 28.11.2024
Der warme Wind blies ihr leicht unter den Helm, als Elowen auf ihrem Motorrad entlang der kurvigen Landstraße fuhr. Die Freiheit des offenen Himmels, das Dröhnen des Motors unter ihr, es war genau das, was sie liebte. Sie hatte sich schon lange nicht mehr so lebendig und frei gefühlt.
Neben ihr fuhr Kaelan, der mit seiner schwarzen Maschine fast mühelos durch die Biegungen glitt. Sein Helm glänzte in der Sonne, und das leise grummeln seines Motors mischte sich mit dem Rauschen des Windes. Ab und zu warf er einen Blick zu ihr herüber, und jedes Mal trafen sich ihre Blicke, ohne dass Worte nötig waren. Sie verstanden sich, ohne viel zu sagen. Wie ein Gespräch bei dem keine Worte notwendig waren, ein bloßer Blick alles aussprach was sie fühlten.
Sie fuhren weiter, bis der Asphalt schließlich in einen schmalen, verwachsenen Feldweg überging. Kaelan nahm eine weitere Kurve und bog dann auf einen abgelegenen Platz ab, den er als Geheimnis für sich selbst bewahrt hatte. Eine kleine Reihe Bäume umrandete den Anblick. Sie hielten an, und Kaelan schaltete den Motor aus.
„Wir sind hier“, sagte er und blickte sie mit einem leichten Lächeln an. Es war ein Moment der Ruhe, ein Moment nur für sie. Elowen stieg ab und ließ ihren Helm sinken. Der Duft des Waldes umhüllte sie, die Bäume standen wie stumme Wächter, und die Dämmerung senkte sich langsam über den Ort.
„Wie hast du diesen Ort gefunden?“ fragte sie und sah sich um. Die Stille des Waldes hatte etwas Beruhigendes, aber auch Geheimnisvolles.
„Es ist ein Zufluchtsort“, antwortete Kaelan, „Ein Ort, wo niemand einen stört.“
Elowen nickte, ihre Gedanken begannen, sich zu sammeln, während sie den Waldboden betrachtete, auf dem sie stand. Irgendetwas in der Luft ließ sie unruhig werden. Es war, als ob der Moment von einer unsichtbaren Kraft gehalten wurde. Sie spürte die Verbindung zwischen ihr und Kaelan intensiver als je zuvor.
Langsam drehte sie sich zu ihm um und bemerkte, dass er sie mit einem tiefen, nachdenklichen Blick betrachtete. Ihr Herz schlug schneller, als sie realisierte, dass auch er etwas spürte, etwas, das weder Worte noch Gesten erfassten. Die Welt schien in diesem Moment stillzustehen.
„Du bist anders heute“, sagte Kaelan schließlich, seine Stimme war ruhig, aber seine Augen verrieten etwas, das sie nicht in Worte fassen konnte.
Elowen atmete tief ein. Sie wollte ihm antworten, doch etwas in ihr hielt sie zurück. Der Wald um sie schien die Worte zu verschlingen. „Vielleicht, ich weiß nicht.“
Kaelan trat einen Schritt näher, seine Präsenz füllte den Raum zwischen ihnen. Die Intensität seines Blicks ließ ihr Herz noch schneller schlagen. Es war, als ob er etwas in ihr berührte, das lange verborgen gewesen war. Etwas, das sie nur in seiner Nähe zu spüren vermochte. Ihre Gedanken wurden wirr, und der Druck in ihrer Brust wuchs. Sie wollte mehr erfahren, mehr verstehen. Doch gleichzeitig hatte sie Angst, was sie in sich selbst entdecken könnte.
„Es ist ein schöner Ort“, sagte Kaelan schließlich, als er ihre Blicke bemerkte. Die Worte kamen unsicher, fast wie ein Versuch, die Stille zu brechen, die sie beide quälte. „Ich habe den Ausblick hier immer gemocht.“
Elowen nickte, aber die Worte schienen zu leicht, zu oberflächlich für das, was sie gerade fühlte. Was sie wirklich wollte, war etwas anderes. Etwas, das nicht in Worte zu fassen war. Etwas, das zwischen ihnen schwebte, ohne dass sie es benennen konnten.
„Ja, es ist wirklich schön hier“, erwiderte sie leise, ihre Stimme verriet mehr von ihrer inneren Zerrissenheit, als sie es beabsichtigt hatte.
Kaelan trat einen Schritt näher. „Es fühlt sich an, als ob man hier verweilen könnte.“ Sein Blick blieb an Elowen hängen, aber die Worte klangen eher wie ein Flüstern, das sich zwischen ihnen in der Luft verlor. Er schien zu zögern, als würde er selbst nicht ganz wissen, wie er sie genau in diesem Moment ansprechen sollte.
Elowen hielt den Blick fest, ihre Augen trafen die seinen, und in diesem Moment wusste sie, dass er sie wirklich sah. Und dass sie ihn sah. Es war mehr als nur ein flüchtiger Blick, es war, als ob ihre Seelen sich in diesem Moment erkannten. Doch sie wusste, dass sie sich nicht einfach in dieses Gefühl stürzen konnte, so unbeschwert wie sie es sich wünschte. Es gab etwas Unausgesprochenes zwischen ihnen, eine Tiefe, die sie beide spürten, aber nicht in Worte fassen konnten.
„Was bedeutet das?“, flüsterte sie schließlich, als die Spannung fast unerträglich wurde. Sie hatte es gesagt, ohne es wirklich geplant zu haben. Ihre eigenen Worte schienen aus ihr herauszubrechen, als hätte sie keine Kontrolle darüber. Was wollte sie eigentlich wissen? Ob er das Gleiche fühlte? Oder ob er auch spürte, wie die Luft zwischen ihnen vibrierte?
Kaelan warf einen kurzen Blick auf den Boden, als würde er nach den richtigen Worten suchen. Doch er sagte nichts, trat stattdessen noch einen Schritt näher. „Ich weiß es nicht“, sagte er dann, seine Stimme rau und ehrlich. Kaelan, der nun die Worte kaum mehr beherrschte, murmelte weiter, „aber … du weißt, was ich meine, oder?“
Elowen schluckte, ihre Hand zitterte leicht, als sie versuchte, ihre Gefühle zu ordnen. Sie hatte sich nie zuvor so unruhig gefühlt, so unsicher, und doch war da auch eine seltsame Sehnsucht, ein Verlangen, das sie nicht vollständig verstand. Warum konnte sie nicht einfach wissen, was zu tun war?
„Vielleicht ist es einfach …“, sagte sie leise, als sie sich plötzlich von der Situation überwältigt fühlte. Doch ihre Worte verloren sich im Moment, als Kaelan seine Hand ausstreckte und sanft über ihre Wange strich.
Es war kein großes Versprechen, keine Liebeserklärung. Es war nur eine Einladung, ein zarter Versuch, etwas zu verstehen, das so viel größer war als sie beide. Elowen schloss die Augen und atmete tief durch. Als sie ihre Augen wieder öffnete, sah sie die Unruhe in Kaelans Blick, die gleiche Unsicherheit, die auch sie fühlte.
Ihr fragender Blick blickte tief in seine Augen. Kaelan zog sie einen Schritt näher zu sich. Ihre Körper berührten sich fast, aber es war nicht der Moment für einen Kuss oder eine Umarmung. Es war einfach der Moment, in dem sie spürten, dass alles, was sie bisher erlebt hatten, sie auf diesen Augenblick hingeführt hatte.
„Wir müssen nicht alles wissen“, sagte Kaelan und blickte mit leuchtenden Augen zurück, in denen sie brennende und hoffnungsvolle Freude sehen konnte.
Elowen war nicht sicher, ob sie ihm glauben konnte, doch in diesem Augenblick tat sie es. Sie schloss die Augen und ließ sich von dem Moment tragen, ohne sich dagegen zu wehren. Der Rest der Welt schien still zu stehen, während sie zusammen in diesem Augenblick verschmolzen.
„Ich verstehe“, flüsterte sie schließlich. „Ich verstehe, was du meinst.“
Es war kein endgültiges Verständnis, kein perfektes Ende. Aber es war der Beginn von etwas, das sie nicht benennen konnten. Etwas, das weit über Worte hinausging. In diesem Moment wusste Elowen, dass dies nicht einfach nur eine Begegnung war. Es war der Anfang einer Reise, die sie zusammen gehen würden, ohne genau zu wissen, wohin sie führen würde.
„Elowen“, flüsterte Kaelan, „und genieße den Moment.“
Elowen nickte und lehnte sich an ihn. In seinen Armen fand sie etwas, das sie lange nicht mehr gefühlt hatte – Ruhe. Der Beginn von etwas Neuem.