Der Blick, der die Welt anhielt 1#

by KK
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Der Blick, der die Welt anhielt. Eine Kurzgeschichte über die Liebe.

Die Sonne stand hoch am Himmel, als Elowen den Helm abnahm und ihr Motorrad auf den Seitenständer stellte. Die kühle Brise des Waldrands bot willkommene Abkühlung nach den heißen Stunden auf der Straße. Vor ihr lag die kleine Waldschänke, und auf der Holzbank saß schon Kaelan, lässig und entspannt. Sein Blick war auf den Horizont gerichtet, doch als sie näher kam, drehte er sich zu ihr um. Seine Augen hatten wieder dieses tiefe Blau angenommen – das Blau, das sie nur dann sah, wenn er absolut sorglos war, wenn er voller Lebensfreude und Glück strahlte. Es war genau dieser Blick, der sie jedes Mal fesselte, und für einen Moment fühlte sich Elowen, als stünde sie unter Strom.

Chronologische Reihenfolge der Geschichten:

Diese Kurzgeschichte gehört zur Serie „Der Blick, der die Welt anhielt“ – in diesem Teil ist einer der Höhepunkte beschrieben aus der zufälligen Begegnung von Elowen und Kaelan. Hier eine Übersicht für dich, wenn du die zeitliche Linie und Hintergründe besser verstehen möchtest:

  1. Fremde Wege – Ein gemeinsamer Augenblick #7
  2. Das Echo der Sehnsucht, eingefroren im Moment #2
  3. Jenseits der Worte – unsichtbare Kraft des Moments #4
  4. Seelengefährten und Herzenswege: Die Kraft der inneren Freiheit #3
  5. Zwischen den Zeilen – Ein Moment im Schatten des Unausgesprochenen #8
  6. Momente der Stille – Augenblicke zwischen uns #6
  7. Der Wind, der uns trug – Ein Teil von Elowen #9
  8. Das Echo ihrer Freiheit – Das leise Nachbeben in Kaelan #10
  9. Gefangen im Nebel der Sehnsucht #5
  10. Der Blick, der die Welt anhielt #1

Als die Welt anhielt

Kaelan war immer der Gelassene, der Stille. Derjenige, der es verstand, mit einem einzigen Blick eine ganze Geschichte zu erzählen. Heute jedoch war es anders. Sein Blick war intensiver, näher, und als Elowen sich ihm gegenüber auf die Bank setzte, spürte sie eine wachsende Spannung zwischen ihnen, eine Art unsichtbare Anziehungskraft, welche förmlich pulsierte.

„Alles okay?“, fragte sie, die Stimme etwas zögerlich, obwohl sie ahnte, dass die Antwort irrelevant war. Konnte sie ihre wahren Gedanken nicht aussprechen und redete stattdessen wieder gefühlt nur dummes Zeug.
Es war nicht der Ort oder die Situation, die ihr Anspannung auslöste – es war diese Art Blick, nachdem sie sich so sehr sehnte. Sie hatte in den letzten Wochen immer wieder Zeit mit ihm verbracht, doch heute war da etwas, das sie nicht greifen konnte.

Er antwortete nicht. Stattdessen nahm er einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Dann stand er plötzlich auf und ging auf sie zu. Ihr Herz setzte für einen Schlag aus, als er sich vor ihr aufbaute. Sie drehte sich leicht zu ihm und blickte, mit einem unsicheren und fragenden Blick, zu ihm auf. Er hob sanft ihr Kinn, zog sie mit einem Finger sanft und ohne Eile näher zu sich, bis sich ihre Atemzüge mischten. Langsam beugte er sich vor, bis seine Stirn fast die ihre berührte. In diesem Moment fühlte Elowen, wie sie die Kontrolle verlor und sich seiner Führung hingab.

Elowen, die seinem Impuls einfach willenlos folgte, spürte wie ihr Atem stockte. Die Geräusche der Umgebung – der Wind in den Blättern der Bäume, das Summen der Insekten – verblassten zu einem fernen Echo. Alles, was blieb, war Kaelan´s Blick. Sie wollte wegsehen, doch ihre Augen waren gefangen, wie von einem Magneten angezogen. Es war, als würde er direkt in ihre Seele blicken, tiefer als je zuvor. Ihr Körper zitterte, und sie legte unbewusst die Hand auf mittig auf seine Brust, sie hatte keine Kontrolle mehr über ihr Handeln.

Dann spürte sie es – seine zweite Hand, die sich sanft, auf ihrem Gesicht. Es war eine leichte Berührung, doch sie fühlte sich an wie ein elektrischer Schlag. Sie konnte nicht mehr denken, nur noch fühlen. Ihre Haut pulsierte unter seiner Nähe, ihre Atmung wurde unregelmäßig. Sie wollte etwas sagen, doch ihre Stimme versagte.

Was ist nur los? Warum verliere ich hier, vor ihm, meine Fassung? Das bin nicht ich – und doch fühle ich mich in diesem Moment mehr wie ich selbst als je zuvor. Kaelans Hand glitt langsam über ihre Hüfte, zog sie näher zu sich. Ohne nachzudenken, stand sie jetzt direkt an ihm dran. Ihr Augenkontakt war ungebrochen und jetzt gab es kein Entrinnen. Es war, als hätte die Welt aufgehört, sich zu drehen.

„Kaelan …“, flüsterte sie, doch der Rest ihrer Worte blieb ungesagt. Er zog sie noch näher zu sich, seine Stirn lehnte sich gegen ihre. Elowens Hände landeten wie von selbst auf seinen Schultern, fest, als würde sie sich an ihm festhalten müssen, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Der Moment dehnte sich endlos aus, die Zeit schien in diesem kurzen Augenblick stehenzubleiben. Elowen wollte mehr sagen, mehr tun, doch es war, als würde ihre ganze Kraft in diesem einen Blick zwischen ihnen stecken. Elowen schloss die Augen, denn sie war innerlich vollkommen machtlos und ließ sich für einen Moment einfach nur fallen. Sie öffnete leicht ihren Mund, um tiefer Luft holen zu können. Ihr Atem wurde zu einem Stottern und es fühlte sich an, als wollte er aussetzen.

Die Schatten der Bäume schienen sich mit der Dämmerung zu verschmelzen, so wie die Grenzen zwischen ihnen zu verschwimmen schienen. Als sie die Augen wieder öffnete, waren sie so nahe beieinander, dass sich ihre Lippen zart berührten. Elowen wendete sich zögernd ab, die Nähe zu ihm kaum verlierend.

Ein sanftes Lächeln lag auf seinen Lippen. „Alles okay?“, fragte er leise, als ob er die Antwort bereits wusste.
Die Welt, die einen Moment lang stillgestanden hatte, begann wieder zu atmen. Das Rauschen des Waldes kehrte zurück, doch für Elowen war nichts mehr wie es zuvor war. Dieser Blick, dieser Moment – sie wusste, dass er sich tief in ihr Herz eingebrannt hatte. Und dass sie ihn niemals vergessen würde.

Nachklang vom Moment

Noch Stunden später, als sie beide schweigend auf der Bank der Waldschänke saßen und den letzten Sonnenstrahlen zusahen, fühlte Elowen die Nachwirkungen dieses Augenblicks. Sie war sich nicht sicher, was genau sie mit Kaelan verband, aber eins wusste sie: Er hatte etwas in ihr berührt, das sie zuvor noch nie so intensiv gespürt hatte. Und auch wenn sie keine Worte fand, um das Gefühl zu beschreiben, war es da – unausgesprochen, doch unübersehbar.

Als sie ihren Kopf auf seine Schulter legte, spürte sie, wie eine tiefe Ruhe sie durchflutete. Sie brauchte keine Antworten, keine Erklärungen in seiner Nähe. Nur diesen Moment und dieses Gefühl, mit ihm zusammen zu sein.

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