Gefangen im Nebel der Sehnsucht – Die Tage nach dieser Begegnung waren wie ein verschwommener Traum. Für Elowen verschwamm die Grenze zwischen Realität und Erinnerung; ihre Gedanken kehrten immer wieder zu ihm zurück. Der Blick aus seinen Augen hatte sie tief in ihrem Innersten berührt, als hätte er einen verborgenen Teil ihrer Seele freigelegt, den sie selbst nie kannte. Jetzt, ohne ihn, fühlte sie sich verloren, wie eine Suchende in einem endlosen Nebel, der keine klare Richtung bot.
Nichts schien sich zu fügen. Ihre Tage liefen ab wie gewohnt, und doch war nichts normal. Die Gespräche mit Freunden und Kollegen waren wie leere Hüllen, und jede Freude, die sie empfand, fühlte sich unvollständig an. Sie funktionierte, aber sie lebte nicht wirklich. Immer wieder fragte sie sich, wie es möglich war, dass jemand, den sie so flüchtig kannte, solche Spuren in ihrem Leben hinterlassen konnte.
Nächte voller Unruhe
Die Nächte waren am schlimmsten. Während der Tag sie mit Aufgaben ablenken konnte, war die Dunkelheit erbarmungslos. Stundenlang lag Elowen wach und starrte an die Decke. Bilder von ihm – sein Gesicht, seine Bewegungen, der Moment, in dem er sie angesehen hatte – wiederholten sich unaufhörlich in ihrem Geist. Es war, als hätte ihr Herz ihn längst in einer Tiefe akzeptiert, die ihr Verstand noch nicht greifen konnte.
Ihre Finger schwebten oft über ihrem Handy, seine Nummer im Blick. Sie hatte sie nie angerufen, nie geschrieben. Was könnte sie auch sagen? Dass sie ihn nicht vergessen konnte? Dass sie, seit er gegangen war, ständig an ihn denken musste? Solche Geständnisse schienen lächerlich, unangebracht. Doch die Sehnsucht, die in ihrer Brust brannte, fühlte sich realer an als alles andere.
„Warum kann ich nicht einfach loslassen?“, flüsterte sie eines Nachts in die Stille, ihre Stimme klang fremd in ihren eigenen Ohren.
Die Last der Sehnsucht
Elowen begann, sich selbst infrage zu stellen. Warum hielt sie sich an einem Gefühl fest, das sie nicht erklären konnte? Es war, als würde sie nach etwas suchen, das er nicht einmal absichtlich in ihr ausgelöst hatte. Doch in diesem Suchen erkannte sie, dass es nicht nur um ihn ging. Es ging um etwas Tieferes – eine Leere, die sie vor ihm nie bewusst gespürt hatte.
Vielleicht, dachte sie, war er nur ein Auslöser. Ein Funke, der ein Feuer entzündet hatte, das längst in ihr schlummerte. Aber auch diese Erkenntnis brachte keine Ruhe. Die Sehnsucht war ein Schatten, der ihr auf Schritt und Tritt folgte, und sie hatte das Gefühl, dass sie nie entkommen könnte, wenn sie nicht den Mut fand, etwas zu tun.
Die Nachricht
Eines Nachts, als die Leere in ihr fast unerträglich wurde, griff Elowen zum Handy. Ihre Hände zitterten, während sie seinen Kontakt öffnete. Sie wusste, dass sie ihm schreiben musste, auch wenn sie keine Ahnung hatte, was sie sagen sollte. Sie atmete tief durch, versuchte, die Unruhe in ihrem Herzen zu ordnen, und begann zu tippen.
„Ich weiß nicht, ob du das verstehst, aber ich kann dich nicht vergessen. Seit unserem Treffen denke ich ständig an dich, und es fühlt sich an, als ob wir uns schon lange kennen. Vielleicht ist das albern, aber ich wollte, dass du es weißt.“
Sie starrte auf die Worte, die sie geschrieben hatte. Es war nicht perfekt, aber es war ehrlich. Bevor sie sich noch einmal überlegen konnte, ob sie die Nachricht abschicken sollte, drückte sie auf „Senden“.
Warten im Schweigen
Die Sekunden nach dem Abschicken fühlten sich wie Stunden an. Ihr Herz raste, und der Zweifel nagte an ihr. Hatte sie gerade einen riesigen Fehler gemacht? Würde er antworten? Und wenn ja, was würde er sagen?
Doch mit der Panik kam auch eine unerwartete Erleichterung. Sie hatte sich getraut, hatte die Mauer ihrer Angst durchbrochen. Selbst wenn er nicht antwortete, hatte sie wenigstens den Mut gefunden, ihre Gefühle auszusprechen.
Eine innere Reise
Während sie wartete, begann Elowen, ihre Gefühle zu hinterfragen. Was suchte sie wirklich? War es die Hoffnung, dass er dieselbe Verbindung spürte? Oder war es etwas, das sie in sich selbst finden musste?
Die Sehnsucht nach ihm hatte eine Tür geöffnet – nicht nur zu ihm, sondern auch zu einem Teil von ihr, den sie lange ignoriert hatte. Sie erkannte, dass es nicht nur um eine andere Person ging. Es ging darum, dass sie selbst lange nicht auf ihre eigenen Bedürfnisse gehört hatte.
„Vielleicht“, dachte sie, „ist das, was ich suche, nicht nur in ihm. Vielleicht ist es etwas, das ich schon immer in mir getragen habe.“
Diese Erkenntnis war schmerzhaft, aber auch befreiend. Sie wusste nicht, ob er jemals antworten würde, aber sie wusste, dass diese Erfahrung sie verändert hatte.
Das Licht im Nebel
Die Minuten verstrichen, und das Handy blieb still. Doch in Elowen breitete sich ein seltsamer Frieden aus. Sie hatte gehandelt, hatte den ersten Schritt gemacht. Und egal, wie die Antwort ausfiel – ob es eine Antwort gab oder nicht – sie hatte begonnen, die Leere in sich selbst zu erforschen.
Sie schaute aus dem Fenster, wo die ersten Strahlen der Morgendämmerung den Himmel färbten. Der Nebel, der sich über ihre Gedanken gelegt hatte, schien sich langsam zu lichten. Es war kein Ende, aber es war ein Anfang.
In diesem Moment lächelte Elowen, zum ersten Mal seit Tagen. Sie wusste, dass die Sehnsucht sie weiter begleiten würde, aber sie wusste auch, dass sie stärker war, als sie gedacht hatte.