Fremde Wege, ein gemeinsamer Augenblick – Fortsetzung zu „Der Blick, der die Welt anhielt“ – Die Sonne stand tief am Himmel, als Elowen mit ihrem Motorrad die langgezogene Landstraße entlangfuhr. Der Wind wehte durch die Lüftungsschlitze ihres Helms, und das vertraute Dröhnen des Motors war wie eine Melodie, die sie auf dieser Fahrt begleitete. Sie liebte es, allein unterwegs zu sein, den Kopf freizubekommen, während die Welt um sie herum in einem Wechselspiel aus Licht und Schatten vorbeizog.
Dann sah sie ihn. Etwas in ihr fokussierte ihre gesamte Aufmerksamkeit für einen kurzen Moment nur auf diese eine Person, auf dem schwarzen Motorrad.
Ein paar hundert Meter vor ihr bog ein anderes Motorrad auf die Straße ein. Der Fahrer, schwarz gekleidet, wirkte wie ein Teil der Maschine, als würde er mit ihr verschmelzen. Sie konnte die Marke seiner Maschine erkennen – eine ältere, gepflegte Ducati, deren Motor einen satten, markanten Klang hatte. Sie beschleunigte ein wenig, hielt aber Abstand, beobachtete ihn aus der Ferne.
Elowen war nicht jemand, der gern in Gesellschaft fuhr. Aber irgendetwas an diesem Fremden ließ sie die Geschwindigkeit halten, als wollte sie die Strecke mit ihm teilen, ohne zu nahezukommen.
An der nächsten Ampel leuchtete das Rot auf, und sie hielt an, leicht versetzt neben ihm. Der Mann auf der Ducati war direkt schräg vor ihr, und für einen Moment schien die Welt stillzustehen. Der Motor seiner Maschine brummte leise, während sie warteten.
Kaelan drehte den Kopf leicht zur Seite, als hätte er ihren Blick gespürt. Dann hob er die Hand zu einem kurzen, lockeren Gruß.
Elowen zögerte, fühlte sich ertappt, doch schließlich hob sie ebenfalls die Hand. Es war eine kleine Geste, aber sie ließ ihr Herz schneller schlagen.
Die Ampel sprang auf Grün, und beide setzten sich wieder in Bewegung. Ohne ein Wort gesprochen zu haben, fuhren sie dieselbe Strecke, fast synchron, als hätte sich eine unsichtbare Verbindung zwischen ihnen gebildet.
Eine unerwartete Gemeinsamkeit
Die Straße führte durch malerische Felder und Wälder. Mal beschleunigte er stärker, ließ sich aber dann wieder etwas zurückfallen, es schien, als wollte er die zufällige gemeinsame Fahrt ebenfalls nicht unterbrechen. Elowen war überrascht, wie angenehm diese ungeplante „Fahrt zu zweit“ war. Sie, die sonst nur für sich allein unterwegs war, fuhr kannte diese gemeinsamen kurzen gemeinsamen Fahrten eher als lockere sehr kurze Begebenheiten, weniger als so verbunden wie jetzt.
Kaelan dachte dasselbe. Normalerweise fuhr er allein, zog es vor, den Straßen ohne Ablenkung zu folgen. Doch heute fühlte es sich anders an. Er war sich nicht sicher, warum er an der Ampel diesen Gruß gemacht hatte – es war nicht seine Art, auf andere zuzugehen. Doch diese Frau auf der silbergrauen Yamaha hatte etwas an sich, das ihn innehalten ließ.
Nach einer Weile sah Elowen, wie Kaelan ein Handzeichen gab. Er wies mit einer kurzen Bewegung zum Straßenrand, zu einem kleinen Parkplatz, der von Bäumen umgeben war. Elowen verstand sofort und nickte knapp, bevor sie gemeinsam abbogen.
Das erste Gespräch
Der Parkplatz war ruhig, nur das Knirschen von Kies war zu hören, als sie ihre Maschinen nebeneinander abstellten. Der Motor verstummte, und eine plötzliche Stille legte sich über den Platz.
Elowen hob ihr Visier ein Stück an und schaute ihn an. Er tat es ihr gleich, lächelte mit einer leicht verschmitzten Lässigkeit.
„Schöne Maschine“, sagte er schließlich, seine Stimme ruhig und tief.
„Danke“, antwortete sie knapp, ein Lächeln in ihrer Stimme. „Deine auch. Eine Ducati, oder?“
„Ja. Etwas älter, aber sie hält noch mit.“
Sie nickte, und eine kurze Stille folgte. Kaelan verschränkte die Arme locker vor der Brust, während Elowen an den Lenker ihrer Yamaha spielte.
„Fährst du oft hier?“, fragte sie schließlich, ihre Unsicherheit in ihrer Stimme kaum verborgen.
„Ab und zu“, sagte er. „Meistens allein.“
„Ich auch“, gab sie zu. „Es war … anders, jemandem zu folgen.“
Kaelan lächelte leicht, ein kaum sichtbares Ziehen an seinen Mundwinkeln. „Ja, war es.“
Ein Windhauch strich durch die Bäume, und für einen Moment schien es, als würde keiner von beiden wissen, was er als Nächstes sagen sollte. Die Zurückhaltung, die beide fühlten, war deutlich – und doch war da etwas zwischen ihnen, das sie nicht ignorieren konnten.
„Ich bin Kaelan“, sagte er schließlich und streckte ihr die behandschuhte Hand entgegen.
„Elowen“, antwortete sie, schlug ein, ihre Finger leicht zitternd.
Es war eine kurze Berührung, kaum mehr als ein Händedruck, aber sie fühlte sich an wie ein Versprechen – oder zumindest wie ein Anfang.
„Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder“, sagte Kaelan, und seine Worte waren weder eine Einladung noch eine Forderung, sondern nur eine Feststellung.
Elowen nickte, ein Lächeln spielte auf ihren Lippen. „Vielleicht.“
Und mit diesen Worten starteten sie ihre Motoren erneut. Dieses Mal fuhren sie in entgegengesetzten Richtungen davon, beide mit einem leisen Gefühl der Zufriedenheit – und einer kleinen Hoffnung, dass dies nicht das letzte Mal gewesen war.