Seelengefährten und Herzenswege: Die Kraft der inneren Freiheit #3

- Fortsetzung zu "Der Blick, der die Welt anhielt" -

by KK
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Adler Kopf - Nemoti Sehnsucht und Herzenswege

Elowen und Lisa saßen auf einer alten Bank, umgeben von dichtem, grünem Wald. Sonnenstrahlen fielen in schimmernden Flecken durch das Blätterdach und tanzten auf dem plätschernden Bach vor ihnen. Die Szenerie war eine Oase des Friedens, doch Elowens starre Haltung widersprach dieser Harmonie. Ihre Augen blickten in die Ferne, während sie unruhig mit ihren Fingern über das Holz der Bank strich.

Lisa saß neben ihr und beobachtete sie still. Es war nicht das erste Mal, dass sie Elowen so sah – verloren, fast verschlossen. Doch heute wirkte sie besonders weit weg. Lisa holte tief Luft, bevor sie die Stille vorsichtig durchbrach.
„Du bist so still heute“, begann sie leise. „Das passt gar nicht zu dir. Was beschäftigt dich?“

Elowen zuckte leicht zusammen, als wäre sie aus einem Traum gerissen worden. Ihre Augen blieben auf den Bach gerichtet, und für einen Moment dachte Lisa, sie würde gar nicht antworten. Doch schließlich sprach Elowen, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
„Es ist nichts. Wirklich“, sagte sie. Dann stockte sie. „Oder vielleicht ist es alles. Manchmal weiß ich selbst nicht, wo ich anfangen soll.“

Lisa neigte den Kopf, ihre Besorgnis wuchs. „Elowen, du musst nicht alles alleine tragen. Sag mir, was los ist.“

Elowen atmete tief durch, ihre Hände auf der Bank jetzt fest zusammengepresst. „Ich habe so viel nachgedacht in letzter Zeit. Über das Leben. Über… Menschen. Wie sie kommen und gehen. Und warum es manchmal so verdammt wehtut.“

Lisa wartete geduldig, spürte, dass Elowen Zeit brauchte, um die richtigen Worte zu finden. Schließlich sprach sie weiter, ihre Stimme zitterte leicht.
„Man sagt uns immer, dass man, wenn man jemanden liebt, keinen Platz mehr für jemand anderen im Herzen haben darf. Dass es falsch ist, sich jemandem zu öffnen, wenn man schon jemanden liebt oder geliebt hat. Aber… das fühlt sich nicht richtig an.“

Lisa nickte, doch sie blieb still. Sie wusste, dass Elowen ihre Gedanken noch sortierte.
„Wir sind doch freie Wesen, Lisa“, fuhr sie fort. „Wir sollen wachsen, uns verändern, uns entwickeln. Aber wir machen uns selbst kaputt, wenn wir versuchen, an Dingen festzuhalten, die längst nicht mehr zu uns gehören. Menschen kommen in unser Leben, um uns etwas beizubringen. Und manchmal – manchmal müssen wir sie loslassen, auch wenn es uns zerreißt.“

Elowens Stimme brach, und Lisa legte sanft eine Hand auf ihre Schulter. „Es klingt, als würdest du gerade gegen dich selbst kämpfen“, sagte Lisa ruhig. „Aber was, wenn es nicht falsch ist, was du fühlst? Was, wenn du dir selbst nur erlauben musst, es zu akzeptieren?“

Elowen schaute Lisa endlich an, und in ihren Augen lag eine Mischung aus Schmerz und Hoffnung. „Ich will glauben, dass es so einfach ist. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich alles falsch mache. Dass ich zu impulsiv bin, oder zu stur. Dass ich … zu viel fühle.“

Lisa lächelte schwach und drückte ihre Schulter. „Du bist nicht impulsiv, Elowen. Du bist lebendig. Du spürst Dinge, die andere vielleicht nicht einmal wahrnehmen. Und das ist nichts, wofür du dich schämen musst.“

Elowen wandte den Blick wieder ab und starrte in den Bach, der unermüdlich seinen Weg bahnte. „Vielleicht hast du recht“, murmelte sie. „Vielleicht mache ich mir das Leben selbst schwer, weil ich an Dingen festhalte, die nicht bleiben können. Aber … wie soll ich loslassen? Wie soll ich wissen, was zu mir gehört und was nicht?“

Lisa schwieg einen Moment, bevor sie antwortete. Ihre Stimme war ruhig, aber voller Überzeugung. „Manchmal kannst du es nicht wissen. Du kannst nur vertrauen. Vertrauen darauf, dass das, was wirklich zu dir gehört, bei dir bleibt. Und dass alles andere gehen darf. Nicht, weil es unwichtig war, sondern weil es seinen Zweck erfüllt hat.“

Elowen schloss die Augen und atmete tief ein. Die Worte sanken in ihr Herz, wie ein Samen, der darauf wartete, Wurzeln zu schlagen.

Nach einer langen Pause öffnete sie die Augen wieder und schaute zu Lisa. Ein kleines, trauriges Lächeln lag auf ihren Lippen. „Es macht Angst, darauf zu vertrauen. Aber irgendwie fühlt es sich auch … leichter an.“

Lisa lächelte zurück. „Vertrauen ist nie leicht. Aber es macht das Leben einfacher. Und manchmal ist es das, was wir am meisten brauchen.“

Die beiden Frauen saßen still, während der Bach weiter plätscherte und die Sonnenstrahlen tanzten. Elowen fühlte sich ein kleines Stück leichter, als hätte sich die Welt ein winziges bisschen verschoben – gerade genug, um Hoffnung aufkommen zu lassen.

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