Die Sonne stand hoch am Himmel, als Elowen den Helm abnahm und ihr Motorrad auf den Seitenständer stellte. Die kühle Brise des Waldrands bot willkommene Abkühlung nach den heißen Stunden auf der Straße. Vor ihr lag die kleine Waldschänke, und auf der Holzbank saß schon Kaelan, lässig und entspannt. Sein Blick war auf den Horizont gerichtet, doch als sie näher kam, drehte er sich zu ihr um. Seine tiefen grünen Augen fixierten sie, und für einen kurzen Moment fühlte sich Elowen, als stünde sie unter Strom.
Kaelan war immer der Gelassene, der Stille. Derjenige, der es verstand, mit einem einzigen Blick eine ganze Geschichte zu erzählen. Heute jedoch war es anders. Sein Blick war intensiver, näher, und als Elowen sich ihm gegenüber auf die Bank setzte, spürte sie eine wachsende Spannung zwischen ihnen, eine Art unsichtbare Anziehungskraft, welche förmlich pulsierte.
„Alles okay?“, fragte sie, die Stimme etwas zögerlich, obwohl sie ahnte, dass die Antwort irrelevant war. Konnte sie ihre wahren Gedanken nicht aussprechen und redete stattdessen wieder gefühlt nur dummes Zeug.
Es war nicht der Ort oder die Situation, die ihr Anspannung auslöste – es war diese Art Blick, nachdem sie sich so sehr sehnte. Sie hatte in den letzten Wochen immer wieder Zeit mit ihm verbracht, doch heute war da etwas, das sie nicht greifen konnte.
Er antwortete nicht. Stattdessen nahm er einen tiefen Zug von seiner Zigarette. Dann stand er plötzlich auf und ging auf sie zu. Ihr Herz setzte für einen Schlag aus, als er sich vor ihr aufbaute. Sie drehte sich leicht zu ihm und blickte, mit einem unsicheren und fragenden Blick, zu ihm auf. Er hob sanft ihr Kinn, zog sie ohne Eile näher zu sich, bis sich ihre Atemzüge mischten. Langsam beugte er sich vor, bis seine Stirn fast die ihre berührte, als hätte der Moment selbst den Atem angehalten.
Elowen, die seinem Impuls einfach willenlos folgte, spürte wie ihr Atem stockte. Die Geräusche der Umgebung – der Wind in den Blättern der Bäume, das Summen der Insekten – verblassten zu einem fernen Echo. Alles, was blieb, war Kaelan´s Blick. Sie wollte wegsehen, doch ihre Augen waren gefangen, wie von einem Magneten angezogen. Es war, als würde er direkt in ihre Seele blicken, tiefer als je zuvor. Ihr Körper zitterte, und sie legte unbewusst die Hand auf mittig auf seine Brust, sie hatte keine Kontrolle mehr über ihr Handeln.
Dann spürte sie es – seine zweite Hand, die sich sanft, auf ihrem Gesicht. Es war eine leichte Berührung, doch sie fühlte sich an wie ein elektrischer Schlag. Sie konnte nicht mehr denken, nur noch fühlen. Ihre Haut pulsierte unter seinem Griff, ihre Atmung wurde unregelmäßig. Sie wollte etwas sagen, doch ihre Stimme versagte.
„Warum ist nur los, wieso bekomme ich kein Wort heraus?“, dachte sie. Sie war doch sonst so stark und selbstbewusst. Aber jetzt, in diesem Moment, fühlte sie sich so verletzlich wie nie zuvor. Kaelan’s Hand glitt langsam über ihre Hüfte, zog sie näher zu sich. Ohne nachzudenken, stand sie jetzt direkt an ihm dran. Ihre Augen trafen sich erneut, und diesmal gab es kein Entrinnen. Es war, als hätte die Welt aufgehört, sich zu drehen.
„Kaelan…“, flüsterte sie, doch der Rest ihrer Worte blieb ungesagt. Er zog sie noch näher zu sich, ihre Stirn lehnte sich gegen seine. Ihre Hände landeten wie von selbst auf seinen Schultern, fest, als würde sie sich an ihm festhalten müssen, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Der Moment dehnte sich endlos aus, die Zeit schien in diesem kurzen Augenblick stehenzubleiben. Elowen wollte mehr sagen, mehr tun, doch es war, als würde ihre ganze Kraft in diesem einen Blick zwischen ihnen stecken. Elowen schloss die Augen, denn sie war innerlich vollkommen machtlos und ließ sich für einen Moment einfach nur fallen.
Als sie die Augen wieder öffnete, lag da ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen. „Alles okay“, sagte er leise, und zum ersten Mal schien die Welt wieder in Bewegung zu kommen. Die Geräusche des Waldes kehrten zurück, und Elowen atmete tief durch. Doch sie wusste, dass dieser Moment, dieser Blick, sich tief in ihr Herz eingebrannt hatte. Und sie würde ihn niemals vergessen.
Nachklang vom Moment
Noch Stunden später, als sie beide schweigend auf der Bank der Waldschänke saßen und den letzten Sonnenstrahlen zusahen, fühlte Elowen die Nachwirkungen dieses Augenblicks. Sie war sich nicht sicher, was genau sie mit Kaelan verband, aber eins wusste sie: Er hatte etwas in ihr berührt, das sie zuvor noch nie so intensiv gespürt hatte. Und auch wenn sie keine Worte fand, um das Gefühl zu beschreiben, war es da – unausgesprochen, doch unübersehbar.
Als sie ihren Kopf auf seine Schulter legte, spürte sie, wie sich eine seltsame Ruhe über sie legte. Sie brauchte keine Antworten, keine Erklärungen. Nur diesen Moment.