Der Ruf im Schatten – Begegnung im Verborgenen #1

by KK
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Illustration der tragischen Fantasy-Geschichte eines Schattenwächters, der sich nach Nähe sehnt, aber durch die Berührung eines Menschen seine Existenz verliert, während seine Verbundenheit als ewige Sehnsucht bestehen bleibt. Ruf im Schatten.

Ein Ruf im Schatten – im fahlen Licht der Dämmerung bewegte sich Serah durch den stillen Nordwald. Der Nebel war dicht und schwer, schien sich an ihren Mantel zu klammern und das Licht zu dämpfen, bis die Welt sich in Tönen von Grau und Schwarz verlor. Sie wusste, dass sie ihn rufen konnte. Seit Jahren spürte sie ihn in diesem Wald, ein Wesen aus Schatten und Stille, das sie nie ganz gesehen hatte, aber dessen Nähe sie manchmal wie einen schwachen Herzschlag hinter sich spürte.

„Arcturus,“ flüsterte sie, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch im dichten Nebel, wie ein stiller Ruf im Schatten. Niemand traute sich für gewöhnlich seinen Namen zu sagen. Er wurde immer nur das Dunkel oder der Schatten genannt. Sein Name war dem düsteren Wald und ihm daher selber fast fremd.

Da war er, eine Silhouette in der Ferne, die ihr Herz schneller schlagen ließ. Seine Augen schimmerten wie dunkle Spiegel, in denen die Geheimnisse der Zeit selbst zu ruhen schienen. Doch hinter dieser stillen Macht lag etwas, das nur sie erkannte – die Sehnsucht, die ihn, den mächtigen Wächter der Schatten, immer wieder an diesen Ort zog.

Die geteilte Einsamkeit

Arcturus hatte über Jahrhunderte den Wald durchstreift, ein Wesen, das zur Nacht gehörte und nur selten von Menschen gesehen wurde. Er war kein Mensch, kein Tier, sondern aus Erde und Nacht geboren, ein Verbündeter der Dunkelheit und des Flüsterns der Bäume. Seine Einsamkeit war sein Schicksal – und doch, seit Serah ihn gefunden hatte, spürte er einen Hauch von Wärme, einen Funken des Lebens, das ihm immer verwehrt geblieben war.

Serah war die einzige, die ihm je so nahegekommen war, und in ihrer Stille fand er ein Echo seines eigenen Wesens. Sie beide trugen eine Einsamkeit in sich, die weder Worte noch Blicke füllen konnten, sondern nur das stille Verständnis, das nur zwischen zwei Seelen entstehen kann, dieselbe Sehnsucht nach Nähe und Anerkennung in sich tragen. Doch sie wussten auch beide, dass ihre Leben unterschiedlich waren und sie nicht dieselben Wege gingen.
Er war gebunden an den Wald, den Nebel der Nacht. Serah lebte frei in den wärmenden Strahlen der Sonne.

Der unerreichbare Wunsch

Eines Abends, als die Dunkelheit schwer auf dem Wald lag und der Nebel dichter war als je zuvor, blieb Serah länger als üblich. Ihre Augen suchten seine, und ein Hauch von Verzweiflung lag in ihrem Blick. Sie wagte es, ihre Hand zu heben, als könnte sie das Schattenhafte in ihm berühren, ihm für einen Moment die Kälte nehmen, die ihn so unerreichbar machte.

„Arcturus,“ sagte sie leise, und ihre Hand zitterte. Wie ein stiller Ruf im Schatten.

Er antwortete nicht, doch sein Blick lag schwer auf ihr, und Serah spürte, wie das Band zwischen ihnen sich spannte, bis es beinahe schmerzte. Sie wusste, dass es keine Zukunft gab, in der sie ihm nah sein konnte. Ihre Welten waren zu verschieden, ihre Leben zu fern voneinander. Doch in dieser stillen Sekunde wünschte sie sich mehr als je zuvor, dass sie ihn erreichen könnte.

Er sah den Wunsch in ihren Augen und verstand ihn, denn es war derselbe, den er in sich trug. Aber seine Existenz war an diesen Wald gebunden, an die Dunkelheit und die Stille, in der er lebte. Wenn er ihr nahekam, bedeutete das, seine Kräfte zu verlieren, zu enden und sie in den Schatten des Vergessens zurückzulassen.

Der Preis der Nähe

Arcturus wusste, dass sie ihn nicht noch einmal sehen würde, wenn er die Grenzen seines Daseins überschritt. Doch in dieser Nacht wagte er es. Langsam bewegte er sich näher, das Gewicht seines eigenen Wesens auf jeder Faser seines Seins spürend. Der Nebel schien dicker zu werden, die Luft schwerer, als ob der Wald selbst versuchte, ihn zurückzuhalten.

Als er schließlich vor ihr stand, konnte Serah unglaublich tiefe Wärme seines Wesens in seinen Augen sehen – jede Geste, die sie sich wünschte, bedeutete ein Opfer, das keiner von ihnen tragen konnte. Ihr Körper zitterte, als sie ihn berührte, und für einen einzigen, unbeschreibbaren Moment fühlte sie die Wärme seines Wesens. Es war, als ob der Schatten eine Gestalt annehmen könnte, als ob die Dunkelheit selbst lebendig wurde.

Aber die Berührung brach ihn.

Der Preis für die Nähe war höher, als er gedacht hatte, und langsam begann er zu schwinden. Serah spürte, wie er unter ihren Fingern zu einem Hauch von Nichts wurde, als ob die Dunkelheit ihn zurückforderte. Panik stieg in ihr auf, als sie begriff, dass dies kein Augenblick der Erfüllung war, sondern ein Abschied.

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