Im Herzen des Drachen – Das Echo der Einsamkeit #5

- Fortsetzung zu "Im Herzen des Drachen" -

by KK
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Im Herzen des Drachen – Das Echo des Einsamen (Teil 5) Kaeltharion, der ewige Drache, trägt die Last der Einsamkeit – bis eine flüchtige Begegnung alles verändert. Elenna erscheint wie ein Flüstern zwischen Traum und Realität, berührt sein Innerstes und verschwindet wieder, bevor er begreifen kann, ob sie je wirklich da war. Ein Moment zwischen Licht und Verlust, der ihn für immer prägen wird.

Das Leuchten in der EinsamkeitKaeltharion stand hoch oben auf der Klippe, sein gewaltiger Schatten zeichnete sich gegen den goldenen Horizont ab. Die Sonne versank langsam im Meer und tauchte die Welt in einen schimmernden Glanz, der an flüssigen Bernstein erinnerte. Seine Schuppen reflektierten das Licht in einem Spektrum aus Gold, Purpur und tiefem Blau, als trüge er den Sonnenuntergang selbst auf seiner Haut. Jeder Atemzug ließ die Muskeln unter der schimmernden Oberfläche leicht erzittern, während die letzten Strahlen des Tages an ihm entlangglitten wie an einer uralten Statue aus poliertem Metall. Er war das Echo der Zeit, majestätisch und erhaben – und doch war er allein. In diesem Moment fühlte Kaeltharion die doppelte Natur seiner Existenz: die grenzenlose Freiheit, die ihn trug, und die Einsamkeit, die ihn umfing wie der sanfte, aber unnachgiebige Wind der Berge.

Er wusste, dass die Menschen wiederkommen würden, mit ihren Fragen, ihrer Ehrfurcht und ihren unerfüllten Wünschen. Doch was sie suchten, konnte er ihnen nicht geben. Sie erblickten nur die Schuppen, die Macht, die Flügel – sie sahen nicht das Feuer, das in ihm brannte. Eine unbändige Kraft, die in seinem Inneren tobte, als würde er selbst aus purer Energie bestehen. Es war dieses Strahlen, das sie anzog – die ungezähmte Schönheit eines Wesens, das so lebendig war, dass es fast schmerzte, ihn anzusehen. Doch sie wollten nur ein Stück davon, einen Funken, den sie mitnehmen konnten. Niemand sah das Herz, das darunter schlug, schwer von den Jahren und dem Wissen, dass es keinen Spiegel für seine Seele gab.

Die Begegnung: Ein flüchtiger Schein

Eines Tages, während Kaeltharion über ein weites Tal flog, bemerkte er eine Bewegung auf einem blühenden Feld. Zunächst hielt er es für ein Spiel des Lichts, eine Reflexion, die durch den Tanz der Blumen im Wind entstand. Doch dann sah er sie – eine Gestalt, zart wie ein Hauch, beinahe eins mit den Farben der Umgebung. Sie wirkte, als sei sie gerade erst aus dem Traum einer alten Legende entsprungen. Kaeltharion verharrte für einen Moment in der Luft, ließ sich von den Strömungen tragen und kreiste über ihr, fasziniert von ihrer Flüchtigkeit. Es war selten, dass ihn etwas innehalten ließ, doch in diesem Moment war es, als würde die Zeit selbst den Atem anhalten.

Kaeltharion landete vorsichtig am Rand des Feldes, seine mächtigen Schwingen erzeugten eine sanfte Brise, die die Blumen zum Flüstern brachte. Die Gestalt – eine junge Frau – wandte sich ihm zu, ihre Augen funkelten in einem unbestimmten Licht, das sich ständig veränderte, wie das Farbspiel seiner eigenen Schuppen.

„Du bist Kaeltharion, der ewige Drache?“, fragte sie, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber sie trug eine seltsame Klarheit in sich.

Kaeltharion neigte sanft seinen Kopf, sein Blick durchdrang sie. „Und wer bist du, dass du mich suchst?“

„Elenna“, antwortete sie. „Doch vielleicht bin ich nur eine Erinnerung, ein Echo dessen, was du vergessen hast.“

Seine Schwingen erzitterten kaum merklich, als er den Kopf ein Stück zurückzog, als wolle er sicherstellen, dass sie wirklich existierte. „Warum bist du hier?“

„Ich bin nicht sicher, ob ich wirklich hier bin“, sagte sie leise, „aber ich spüre, dass du mich sehen kannst. Und wenn das so ist, dann gibt es vielleicht einen Grund.“

Die flüchtige Verbindung: Ein Moment jenseits der Zeit

Die Stunden, die folgten, waren wie aus einer anderen Welt. Elenna sprach mit Kaeltharion über Dinge, die gleichzeitig tief und schwerelos wirkten. Ihre Worte schienen wie feine Fäden aus Licht, die sich durch die Dunkelheit seiner Gedanken webten, Erinnerungen berührten, die lange im Schatten ruhten. Sie stellte keine Fragen nach Macht oder Wissen, sondern sprach von Sternen, die wie Wächter über verlorene Träume wachten, von Winden, die Geheimnisse trugen, die niemand hören konnte, und von der stillen Melodie der Welt, die nur jene vernahmen, die mit dem Herzen lauschten. In ihrer Stimme lag eine seltsame Vertrautheit, als hätte sie schon immer gewusst, welche Saiten in seiner Seele anklingen mussten, um ihn zu berühren.

Kaeltharion spürte, wie etwas in ihm zum Leben erwachte, etwas, das er lange für erstorben gehalten hatte. Sie schien ihn zu sehen – nicht den Drachen, nicht die Legende, sondern das Wesen, das tief in seinem Herzen wohnte.

„Warum bleibst du in den Wolken und auf den Gipfeln?“, fragte sie, während das Licht der untergehenden Sonne die Welt in flüssiges Gold tauchte.

„Weil Freiheit ohne Verbindung ein leerer Raum ist“, antwortete Kaeltharion leise. Seine Stimme trug die Schwere von Jahrhunderten, ein Echo von einsamen Nächten, in denen der Himmel weit und grenzenlos war, aber nichts enthielt, das sein Feuer spiegeln konnte. „Und weil die Welt, so groß sie auch ist, doch klein wird, wenn niemand da ist, der sie mit dir teilt. Wenn all die Weite sich nur in der eigenen Stille verliert, ohne dass jemand sie mit dir sieht.“

Elenna lächelte, ein Lächeln, das ebenso zerbrechlich wie unendlich war. „Vielleicht bin ich hier, weil ich dir zeigen soll, dass es jemanden gibt, der bleibt – auch wenn es nur für einen Augenblick ist.“

Die Wahrheit im Flüstern: Der Zweifel der Realität

Doch während Kaeltharion diese Worte in sich trug, bemerkte er etwas Seltsames. Elenna war nie dort, wenn er sich umdrehte. Sie hinterließ keine Spuren im Gras, keinen Duft in der Luft. Manchmal verblasste sie vor seinen Augen, nur um wieder aufzutauchen, als hätte die Welt sie kurzzeitig verschluckt.

„Bist du wirklich hier?“, fragte er leise, während das Mondlicht sie in silbernen Glanz tauchte, als wäre sie ein Flüstern der Nacht selbst.

„Ich weiß es nicht“, sagte sie ehrlich. „Vielleicht bin ich nur ein Teil von dir. Vielleicht bin ich der Funke, den du so lange gesucht hast.“

Kaeltharion wollte widersprechen, doch ihre Augen hielten ihn davon ab. Es war, als sähe er in ihnen die Reflexion seiner eigenen Seele – ein Spiegel, der ihm sein tiefstes Inneres offenbarte, so klar und tief, dass es ihn fast zerriss. In ihrem Blick lag keine Frage, keine Forderung – nur ein Verstehen, das sich wie eine warme Welle über ihn legte und für einen Moment all die Jahrhunderte seiner Einsamkeit bedeutungslos erscheinen ließ. Es war ein Erkennen, das sich jenseits von Worten bewegte, ein stilles Band, das zwischen ihnen schwebte, unaufdringlich und doch unaufhaltsam.

Der Abschied: Ein Funke der Hoffnung

Mit den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne war Elenna verschwunden. Kaeltharion suchte sie im Tal, auf den Gipfeln, selbst in den Wolken, doch sie war nirgendwo zu finden. Seine verzweifelte Suche wurde zu einem fiebrigen Tanz aus Hoffnung und Furcht, als ob der Himmel selbst ihm eine Antwort verweigerte. Ein Teil von ihm wollte glauben, dass sie nie wirklich da gewesen war – dass sie nur ein Trugbild seines Verlangens nach Verbindung gewesen war. Doch ein anderer Teil – der Teil, der ihre Worte und ihr Lächeln tief in seinem Herzen trug – wusste, dass sie auf eine Weise realer gewesen war als alles andere. Und gerade diese Gewissheit schnitt tiefer als jeder Verlust, denn mit ihr war nicht nur ein Traum verflogen, sondern auch ein Stück Licht, das seine Dunkelheit durchbrochen hatte. Ein Schmerz, den er kannte, doch der diesmal eine neue Form annahm – nicht nur Verlust, sondern das Bewusstsein, etwas berührt zu haben, das er nun nicht mehr halten konnte.

Kaeltharion flog in den Himmel, seine Schwingen teilten die Wolken, und während er flog, trug er die Erinnerung an Elenna in sich. Sie war nur ein Funke gewesen, aber ein Funke, der so hell geleuchtet hatte, dass er ihn für einen Moment vergessen ließ, was Dunkelheit bedeutete. Doch nun war dieser Funke verloren, und die karge Kälte, die zurückblieb, versetzte selbst ihn in eine erschütternde Stille – eine Leere, die keine Antwort kannte, nur das Echo eines Traums, der sich seiner Berührung entzog.

Der Schmerz des Verlusts bohrte sich tief in jede einzelne Faser seines Herzens, schwer wie ein Stein, der niemals ganz verschwinden würde. Es war eine Wunde, die nicht blutete, sondern mit jeder Erinnerung tiefer brannte. Und doch, zwischen all dem schwelenden Kummer, war da auch etwas anderes – eine stille Dankbarkeit, so zerbrechlich wie Morgentau, und doch unzerstörbar. Sie hatte existiert, sie hatte ihn gesehen – und für einen kurzen Moment war sein Licht nicht nur sein eigenes gewesen. Es hatte sich mit ihrem vereint, zu etwas Größerem, zu etwas, das über ihn selbst hinausging. In all den Jahrhunderten seiner Einsamkeit war das vielleicht das Wertvollste überhaupt.

Während der Wind ihn emportrug, wusste Kaeltharion, dass Einsamkeit nicht das Ende war – sondern eine ständige Begleiterin, die nun einen Hauch von Licht in sich trug. Er war noch immer allein, doch er war nicht mehr derselbe.

Fortlaufende Geschichte: Im Herzen des Drachen

Diese Kurzgeschichte gehört zur Serie „Im Herzen des Drachen“, hier gelangst du zu allen Teiles von Kaeltharion Reise der Einsamkeit:

→ Alle Teile von „Im Herzen des Drachens“

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