Der Ruf der Schatten – Zwischen Sehnsucht und Stille #4

– Vorgeschichte zu „Der Ruf im Schatten“ –

by KK
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Vorgeschichte zu „Ruf der Schatten“ – Der Ruf der Erinnerung. by Nemoti. Licht und Dunkelheit, die sich magisch anziehen, aber nie berühren. Zwischen Sehnsucht und Stille.

Zwischen Sehnsucht und Stille – Die Welt des Nordwalds war in unendliche Schichten von Nebel gehüllt, ein endloser Tanz aus Licht und Dunkelheit, in dem die Stille regierte. Serah spürte die Kälte des Waldbodens unter ihren Füßen, das weiche Moos, das ihre Schritte dämpfte. Doch was sie am meisten fühlte, war etwas, das tief in ihrem Inneren brannte – eine Sehnsucht, die sie nicht erklären konnte.

Sie hatte von Arcturus gehört, in Flüstern und alten Geschichten, die die Dörfler erzählten, wenn die Nächte lang und die Feuer niedrig waren. Ein Wesen aus Schatten und Stille, sagten sie, der Wächter des Waldes, ein Geschöpf, das keine Augen gesehen und keine Hände berührt hatten. Doch Serah wusste mehr – sie erinnerte sich. Sie erinnerte sich an Augen wie schwarze Spiegel, die sich in ihrem Inneren verankert hatten, an eine Präsenz, die sie wärmte und frösteln ließ zugleich.

Doch diese Erinnerungen waren nicht ihre eigenen.

Die Suche beginnt

Seit Wochen suchte sie ihn, getrieben von einer Macht, die sie nicht verstand. Serah wusste nicht, woher dieses Wissen um ihn kam. Sie hatte ihn nie gesehen, und doch schien jede Faser ihres Wesens auf ihn ausgerichtet. Die Schatten des Waldes flüsterten seinen Namen, der Wind trug seine Stimme, oder war es nur die Fantasie, die sie täuschte? Sie wusste es nicht, doch sie konnte nicht aufhören, zu suchen. Vielleicht, weil sie selbst nie ganz Teil dieser Welt gewesen war, in der sie lebte. Serah war immer anders gewesen, eine Fremde in ihrer eigenen Welt, und der Ruf des Waldes war der erste, der sie wirklich berührte.

An diesem Abend war der Wald stiller als sonst. Die Dämmerung kroch wie ein flüssiger Schatten durch die Bäume, und der Nebel legte sich wie ein schwerer Schleier auf alles Lebendige. Serah hielt inne und lauschte. Ihre Lippen formten seinen Namen, doch sie wagte nicht, ihn laut auszusprechen. Stattdessen schloss sie die Augen und ließ ihre Gedanken von ihm gefangen nehmen. „Arcturus.“

Plötzlich hatte sie das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Ein Kribbeln lief über ihren Nacken, ein Hauch wie ein Atemzug, der die Luft streifte. Ihre Augen öffneten sich, und sie blickte in die Schatten, die tiefer und dichter schienen als zuvor. War es Einbildung? Oder war er da?

Das unsichtbare Band

Arcturus beobachtete sie. Er war immer dort, ein stummer Wächter, der von einer Macht gebunden war, die er weder gewählt noch vollständig verstand. Einst ein Teil des Lebendigen, war er nun ein Schatten, ein Flüstern, dazu verdammt, über den Wald zu wachen, der ihn verschlungen hatte.

Ihre Anwesenheit verwirrte ihn, ließ ihn sich nach etwas sehnen, das er nicht benennen konnte. Sie war anders als die anderen, die den Wald mieden, die ihn nur fürchteten. Sie suchte ihn. Und in ihrer Suche lag eine Art von Schmerz, die er verstand – der Schmerz, nach etwas zu verlangen, das man niemals besitzen konnte. Sie war wie er, ein Wesen zwischen Welten, das weder ganz dazugehörte noch den eigenen Platz fand.

Als sie seinen Namen im Gedanken flüsterte und ihre Lippen seinen Namen formten, fast so als würde sie diesen aussprechen, war es, als würde etwas in ihm brechen. Die Dunkelheit, die ihn umhüllte, schien für einen Moment zu weichen, und er spürte, wie eine fremde Wärme durch ihn drang. Doch er wusste, dass er sie nicht nah an sich lassen konnte.

Die unausgesprochene Begegnung

Serah schritt weiter, tiefer in den Wald hinein. Der Nebel wurde dichter, die Schatten um sie herum bewegten sich wie lebendige Wesen. Ihr Herz pochte laut in ihrer Brust, als sie spürte, wie sich die Luft veränderte. Da war er. Sie konnte ihn nicht sehen, doch sie spürte, dass er hier war. Ihre Hand hob sich von selbst, ihre Finger streckten sich ins Nichts, als könnten sie ihn erreichen.

„Warum kommst du nicht zu mir?“, flüsterte sie, ihre Stimme kaum hörbar. Sie wusste, dass sie ihn nicht zwingen konnte, dass ihre Worte wie Blätter im Wind verwehen würden. Doch sie hoffte, dass er sie hörte.

Und er hörte sie. Arcturus schloss die Augen, als ihre Stimme durch ihn drang, weich und doch voller Schmerz. Er wollte ihr antworten, sie faszinierte ihn, dass er noch näher an sie heranwollte. Er wollte sie wie eine dunkle Wolke aus Nebel umhüllen und festhalten. Er wollte ihr zeigen, dass er da war, dass er sie sah, dass er sie suchte, so wie sie ihn suchte. Doch die Dunkelheit hielt ihn zurück, sich ihrem Licht zu nähern, erinnerte ihn an das, was er war – ein Schatten, ein Hauch von Nacht, gebunden an eine Existenz jenseits von Fleisch und Blut.

Der stumme Ruf

In dieser Nacht geschah nichts. Serah blieb lange stehen, bis ihre Beine schwer wurden und die Kälte durch ihren Mantel drang. Und sich tief durch ihr Fleisch bis auf ihre Knochen fraß. Doch sie konnte nicht gehen. Etwas hielt sie fest, etwas, das sie nicht benennen konnte.

Arcturus blieb verborgen, doch er war da, näher als je zuvor. Und obwohl sie ihn nicht sehen konnte, spürte sie ihn. Es war, als würde ihr Atem mit dem Nebel verschmelzen, als würde die Dunkelheit selbst ihre Finger nach ihr ausstrecken. Sie schloss die Augen und ließ die Stille sie umarmen.

„Ich weiß, dass du da bist“, flüsterte sie, und eine einzelne Träne rollte über ihre Wange.

In diesem Moment fühlte sie etwas – eine Wärme, ein leises Flüstern, das keine Worte war und doch alles sagte. Es war seine Antwort, ein stilles Versprechen, dass er da war, dass er immer da sein würde. Doch es war es auch eine Warnung, eine Erinnerung daran, dass sie ihn nie wirklich erreichen konnte. Wenn sie die Augen öffnen würde, müsste sie gehen und würde ihn wieder verlassen, wenn sie die Augen geschlossen lassen würde, würde die nagelnde Kälte sie bezwingen und erfrieren lassen.

Das Ende der Suche

Als die Nacht tiefer wurde, kehrte Serah um. Ihre Schritte waren langsam, schwer, doch in ihrem Inneren war etwas erwacht. Sie wusste, dass sie ihn wohl niemals sehen, niemals berühren würde. Doch sie wusste auch, dass er da war, dass er immer da sein würde – ein Schatten, ein Wächter, ein Teil von ihr, der sie niemals ganz verlassen würde.

Und Arcturus, verborgen in der Dunkelheit, beobachtete sie, bis sie verschwunden war. Ein Teil von ihm wollte ihr folgen, wollte die Dunkelheit hinter sich lassen, doch er wusste, dass er das nicht konnte. Stattdessen blieb er zurück, ein stiller Wächter, gebunden an die Schatten, und trug die Sehnsucht in sich, die niemals gestillt werden konnte.

Einladung zur Reflexion

Serahs und Arcturus’ Geschichten sind nicht nur von Schatten und Sehnsucht geprägt, sondern auch von dem, was uns alle berührt: der Suche nach Zugehörigkeit und Verständnis. Beide Figuren stehen zwischen Welten, getrieben von einem inneren Verlangen, das sie kaum greifen können. Doch was bedeutet es, einen Platz zu suchen, an dem wir wirklich zu Hause sind – und was, wenn wir ihn nicht finden können?

Was denkst du über die Geschichte zwischen Sehnsucht und Stille? Liegt die wahre Stärke vielleicht nicht darin, den Platz zu finden, sondern in der Fähigkeit, den Weg dorthin zu gehen? Und was bedeutet es für dich, jemanden zu spüren, ohne ihn erreichen zu können? Teile deine Gedanken und begleite Serah und Arcturus auf ihrem Weg, der noch lange nicht zu Ende ist.

Bleib dabei und begleite Arcturus auf seinem Weg, während er sein Dasein zwischen Dunkelheit und Licht zu verstehen versucht und nach der Balance zwischen Verborgenheit und Sichtbarkeit sucht. Sein Schicksal entfaltet sich, Kapitel für Kapitel, und bringt neue Geheimnisse ans Licht.
→ Hier geht es zur Übersicht: „Der Ruf im Schatten“

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