Der Nachklang im Nebel – Fortsetzung zu „Der Ruf im Schatten“ – Serah stand allein im Nebel des Nordwalds, während der Schatten von Arcturus Anwesenheit langsam verblasste. Die Luft war schwer, erfüllt von einer Stille, die fast körperlich greifbar war. Sie versuchte, ihre Hand auszustrecken, als könnte sie das Unfassbare noch festhalten, aber ihre Finger griffen nur ins Nichts.
Im letzten Schimmer der Dämmerung fiel ihr Blick auf die Lichtungen, die sie früher oft besucht hatte. Die Stille war schmerzhaft vertraut – wie eine Melodie, die jetzt für immer unvollständig blieb.
Serah erinnerte sich an die Abende, an denen sie stundenlang auf dem Moosboden gesessen hatte, während die Nacht sanft auf die Welt herabsank. Arcturus war damals nicht nur ein Schatten gewesen, sondern fast ein Freund, eine stille Präsenz, die den Wald durchdrang. Auch wenn er selten sprach, gab es diese Momente, in denen er ihre Gedanken zu hören schien. In seiner Nähe fühlte sie sich verstanden, wie von niemandem sonst.
Ein warmer Moment
Eine dieser Erinnerungen stieg plötzlich in Serah auf: Sie sah sich selbst, jung und neugierig, das Herz voller Abenteuerlust. An einem Frühlingstag, als der Wald noch in goldenes Licht getaucht war, hatte sie seine Silhouette zwischen den Bäumen entdeckt. Sie wusste damals nicht, was sie von ihm erwarten sollte, aber die Faszination war stärker als jede Angst. Sie hatten sich zum ersten Mal an einem klaren, sonnendurchfluteten Nachmittag im Wald begegnet, als die Luft voller Düfte von neuem Leben und Blüten war.
In diesem Moment hatte Arcturus sich näher an sie heran getraut und für den kurzen Moment einiger Sekunden konnte Serah ihn fast in seiner gesamten eindrucksvollen Gestalt erkennen – ein seltener Moment der Nähe und des Vertrauens. Dieser Moment fühlte sich wie Minuten an und brannte sich tief in ihre emotionale Seele. Sie erinnerte sich an die Wärme, die sie erfüllte, als sie seine Nähe spürte, seine Präsenz war einnehmend, die Aura, die ihn umgab, einzigartig und mächtig. Das war das einzige Mal, dass er je wirklich zu ihr gesprochen hatte. Seine Worte waren nur ein Flüstern gewesen, wie ein Windstoß, der rasch verging, doch ihre Bedeutung trug sie bis heute in ihrem Herzen.
„Serah,“ hatte er gesagt, seine Stimme kaum mehr als ein tiefes, flüsterndes Echo in der Stille. „Du hast mehr Licht in dir, als ich je kennen werde.“
Dieser Moment war für sie wie eine Verheißung gewesen, ein Versprechen auf etwas Unausgesprochenes, und seine Abwesenheit lastete nun auf ihrem Herzen.
Der schmerzhafte Abschied
Doch jetzt, im Nebel und der Dunkelheit, schien alles unwirklich. Serah erkannte, dass sie an einen Ort zurückgekehrt war, der nicht mehr derselbe war. Ohne Arcturus fühlte sich der Wald leer und verloren an, eine Hülle ohne Seele. Die alten Bäume, die immer ein Zuhause für sie beide gewesen waren, standen stumm da, als ob auch sie den Verlust spürten.
Mit der Erinnerung an das Versprechen, das nie eingelöst werden konnte, wurde die Trauer in ihr stärker, als sie es sich je vorgestellt hatte. Arcturus Stimme – das leise, nie ganz greifbare Flüstern – hallte wie ein Echo durch ihren Verstand. Sie wollte weinen. Ihre Augen weit aufgerissen, aber Tränen kamen keine. Ihr ganzer Körper schmerzte förmlich vor Trauer, ihre Atmung kam in kurzen Stößen als würde sie keine richtige Luft bekommen und ihr Hals schnürte sich zu, während die Dunkelheit sie vollständig umhüllte.
Sie fühlte sich verloren, und doch wusste sie, dass Arcturus Geist weiterhin in diesem Wald existieren würde, als ein Nachklang im Nebel. Der Gedanke daran tröstete sie kaum, doch es war alles, was ihr blieb. In der Tiefe ihrer Seele verstand Serah, dass sie niemals dasselbe Licht für ihn gewesen war, wie er es für sie war – und diese Einsicht ließ ihr Herz brechen.
Die Trauer verschlang sie, und während sie den Wald verließ, spürte sie, dass ein Teil von ihr für immer in diesem Schatten gefangen bleiben würde. Der Nachklang ihrer gemeinsamen Stille begleitete sie und der Ruf, den sie im Schatten vernommen hatte, würde für immer ein Teil von ihr sein.
Ein letztes Flüstern – Der Nachklang im Nebel
Die Jahre vergingen, und Serah besuchte den Wald immer seltener, doch manchmal, wenn der Wind durch die Bäume flüsterte, glaubte sie, Arcturus Stimme zu hören. Der Nebel verschwand niemals ganz aus ihrem Leben, und an den dunkelsten Abenden fühlte sie die Berührung seiner kühlen Hand, eine Erinnerung an das, was hätte sein können.
Obwohl sie das Licht des Tages liebte und ihr Leben fortsetzte, blieb ein Teil ihrer Seele im Schatten des Waldes zurück, gebunden an das Versprechen, das sie nie halten konnte …